Die Digitale Transformation ist nicht zuletzt mit der Corona-Krise in die Agenda aller Geschäftsleitungen eingedrungen. Doch noch nicht alle wissen, was dieses Buzzword für sie im Unternehmen tatsächlich bedeutet. Nachfolgende Gedanken erläutern, dass zu vielen Fragestellungen in den Unternehmen noch keine adäquaten Antworten vorhanden sind. Und essenzielle Fragen wurden erst gar nicht wirklich gestellt, wie etwa «Was haben die Generation X-Y-Z mit der digitalen Transformation und der Weiterentwicklung der bestehenden Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) zu tun?»

Einführung

Die Geschichte und Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) lässt sich an einem dreidimensionalen Objekt mit einer x-y-z-Achse[1] darstellen.

Die Anfänge der Informatik orientierten sich vor allem auf das Realisieren von Effizienzgewinnen und die Optimierung von internen Unternehmensprozessen. Wir nennen sie hier die Backstage-Informatik. Daraus resultierten die klassischen ERP-Systeme, welche eine Vielzahl von Geschäftsanwendungen und Betriebsdaten integrieren und zentral verarbeiten. Mit komplizierten Schnittstellen wurden Abläufe elektronisch resp. «digital» optimiert. Die Orientierung war klassischerweise eine Innensicht des Unternehmens. Mit der Zeit konnten sogar ganze Wertschöpfungsketten über die Unternehmensgrenzen hinweg digitalisiert werden.

Mit dem Aufkommen des Internets und der Web-Technologien konnte ein Unternehmen sich plötzlich mittels ICT in elektronischen Kanälen präsentieren. Auch konnten mittels E-Business-Lösungen bisherige interne Unternehmensprozesse direkt an die Kunden auslagert werden. Man denke hier an die Bankdaten, welche der Bankkunde heute mittels E-Banking selbstverständlich selbst bewirtschaften kann. Wir nennen sie hier die Frontstage-Informatik. Mit den Social Media Apps, wie Facebook, Twitter, Instagram und einer Vielzahl anderer sogenannten Apps kamen zusätzliche Frontstage-Anwendungen hinzu. Web-Applikationen werden je erfolgreicher, desto mehr sich diese mit anderen Applikationen «connecten» können. Die Frontstage-Informatik hat auch erkannt, dass die Kundenbeziehungen mittels digitalen Touchpoints gepflegt und verbessert werden können. Wenn wir eine CRM-Software noch zum ERP-System zählen würden, dann wäre eine CRM-Anwendung die exakte Schnittstelle von Backstage- zur Frontstage-Informatik. Genau an dieser Stelle bringe ich später die XYZ-Generation zur Diskussion.

Neuzeitliche Technologien und Anwendungen bringen Produkte und Services in eine ganz neue Dimension, indem diese mit Intelligenz und direktem Nutzenerlebnis veredelt und sogenannt «smart» werden. Smart heisst, dass Produkte mit Sensoren und Chips versehen werden, welche Kommunikations- und Verarbeitungs-Prozesse übernehmen und mit dem Internet of Things (IoT) verbunden (connected) werden. Wir nennen sie hier die Onstage-Informatik.

Was wir hier mit diesen x-y-z-Achsen mit Backstage, Frontstage und Onstage betrachten können, ist, dass zum einen in jeder Achse neue, zusätzliche und eigene Technologien angewandt werden und zum anderen auch ganz andere kulturelle und technologische Mindsets zum Tragen kommen. Die Backstage-Informatik (ab 1970) arbeitet mit internen und strukturierten Daten, ob im Finanzwesen, im Personalwesen oder in einer Produktionsplanung.

In der Frontstage-Informatik (ab 1995) kommen nun Marketing-, Verkaufs- und Kommunikationsaspekte zum Zuge. Mit dem Internet haben wir ein elektronisches Schaufenster eines Unternehmens. Im Idealfall findet eine Verknüpfung zwischen Frontstage und Backstage statt. Mit Social Media Apps wird es noch um eine Dimension komplexer, indem die Kommunikation zum Schaufenster dazukommt. Die Daten sind im Wesentlichen unstrukturiert. Trotzdem möchte man die Kundenbeziehungen und Interaktionen, ob auf der Webseite, in den Social Medias oder auch die analogen Kundenkontakte irgendwie digitalisieren. Dazu genügt ein klassisches CRM nicht mehr.

In der Onstage-Informatik (ab 2010) kommen die strukturierten und unstrukturierten Daten mit gegenwärtigen Nutzenerlebnis zusammen und werden mit künstlicher Intelligenz (KI) für eine effektive Business Intelligence aufbereitet und verarbeitet. Eine effektive Onstage-Informatik beweist sich erst, wenn ein Customer Journey digital abgebildet werden kann, der alle möglichen Touchpoints verknüpft und das Nutzenerlebnis eines Kunden merklich steigern kann.

Was wir hier mit diesen drei Arten von Informatik (Backstage, Frontstage, Onstage) aufzeigen, ist die Tatsache, dass für jede Art Informatik eine andere Art Mindset vorhanden sein muss. Während in Backstage vor allem ein strukturiertes ingenieurmässiges Vorgehen gebraucht wurde, waren es in Frontstage vor allem ein Marketing- und Verkaufs-Mindset. Dies zeigte sich lustigerweise in den ersten Webseiten, welche von den Backstage-Informatikern aufgesetzt wurde, welche in ihrer Struktur beinahe Excel-Strukturen von Links beinhalteten oder Frontstage-Applikationen, welche mit ihren teilweisen unstrukturierten Daten nur mit Mühe mit den Backstage-Applikationen verknüpft werden konnten. Auch die Geschwindigkeit und die Art der Softwareentwicklung hat sich zwischen Backstage und Frontstage massiv verändert. Mittlerweile gibt es auch schon neuartige Datenbanken, welche strukturierte und unstrukturierte Daten logisch verbinden können.

Was bedeutet dies nun für die gegenwärtige und zukünftige Onstage-Informatik, in welcher wir das Nutzenerlebnis von Smart-Products und -Services in direkte Business Intelligence übersetzen wollen? Haben wir mit der heute aktuellen Frontstage-Informatik die richtigen Skills oder müssen gar Backstage-Informatiker wieder reaktiviert werden? Wir sind der Überzeugung, dass wir eine richtige Onstage-Informatik erst mit der Generation Z oder gar erst mit Generation @Alpha überhaupt umsetzen können.

Generation-Modell

Die Menschen (Zielgruppen, Konsumenten, Arbeitnehmer, Menschen) werden von den Marketingstrategen, Psychologen, Soziologen, usw. schon seit einiger Zeit in Generationen-Gruppen, wie Baby Boomers und Generation X-Y-Z eingeteilt. Das Spannende an dieser Betrachtungsweise ist, dass die in ungefähre Jahrgangseinheiten eingeteilten Generationen ihre gleichen prägenden Erfahrungen, sei es politisch, technologisch oder sozial gemacht haben. So wurden die Generationen in folgende Generationen eingeteilt (siehe nachfolgende Grafik):

Die Ursprünge der heutigen Geschäftsorientierung entstammen grösstenteils noch der Baby Boomer Generation. Ich nenne es auch das Baby Boomer Business, welches den Wettbewerb, den Wettkampf, den Gewinn und den Eigennutz vor einem Gemeinwohl, geschweige denn einem globalen Gemeinwohl stellen. Die Generation Baby Boomers war auch die erste Generation, welche ihre ersten IT-Erfahrungen in Unternehmen machten.

Die Generation X hat sich dem Baby Boomer Business grösstenteils untergeordnet, weshalb sie auch eine schizoide Trennung von Work-Life-Balance praktizierte. So war die Backstage-Informatik ganz klar ein Produkt der Baby Boomer und der Generation X.

Mit der Generation Y kam die klassische Frontstage-Informatik auf. Sie setzten auf die neuen Web-Technologien und machten den Sprung von Backstage zu Frontstage. Wer aber meint, dass die Generation Y die Digitalisierung, wie sie mit Industrie 4.0 erklärt wird, umsetzen werde, der ignoriert die Geschichte der Informatik. Die Generation Y hat zwar mit ihren Frontstage-Technologien verschiedene Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten aufgebrochen, aber immer noch in einer Baby Bommer Business Haltung. Und die Generation Y hat nicht die notwendigen Skills, um eine Onstage-Informatik mit Robotik, Sensoren, Internet of Things, 5G und Künstlicher Intelligenz (KI) umzusetzen. Allenfalls können sie den Start einer Onstage-Informatik initiieren, aber nicht umsetzen. Wir müssen erst auf die nächste Generation Z warten, bis die Onstage-Informatik richtig durchstarten kann.

Mit der Generation Z drängt mittlerweile eine neue Generation in den Arbeitsmarkt und wird erstmals mit der Onstage-Informatik korrespondieren. Und es warten riesige Herausforderungen. Es müssen Backstage mit Frontstage plus die neuen Technologien mit Robotik, Sensoren, künstlicher Intelligenz, Internet of Things, 5G, usw. integriert werden. Die neuen Technologien sind wieder näher an der Hardware als an der Software und dies benötigt wieder mehr strukturiertes Ingenieurwesen als Marketing- und Verkaufsaspekte. Als typische Technoholics und Digital Natives sollten die Generation Z den Sprung zu Onstage schaffen, auf alle Fälle vorbereiten können.

Um das Jahr 2030 wird die Generation Z zwischen 20 und 35 Jahre alt sein sowie zusätzlich die nächste Generation Alpha in den Arbeitsmarkt drängen. Und es ist vorauszusehen, dass in den nächsten 10 Jahren ein Sprung in die Onstage-Informatik geschehen wird. In China scheinen sie diesbezüglich schon um Einiges weiter zu sein als in den USA, geschweige denn in Europa. Und diese geopolitische Verschiebung des Technologie-Fortschritts von der USA nach China wird uns im Alltag noch viel mehr beschäftigen als uns lieb ist.

Digitale Transformation

Wenn wir hier von digitaler Transformation sprechen, dann sollten wir unbedingt in den Achsen x-y-z sprechen, sowohl im Sinne von Backstage, Frontstage und Onstage als auch in den Generations x-y-z und ihren Möglichkeiten und Skills. Es ist in diesem Zusammenhang interessant festzustellen, dass die Evolution der ICT direkt mit dem Generation-Modell korrespondiert.

Die Verknüpfung der Achsen x-y-z und der Generation x-y-z wird eines der Erfolgsgeheimnisse der digitalen Transformation sein. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis wird sein, wie alle Stakeholder im Sinne einer konsequenten Stakeholder-Orientierung (Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Kommune, Umwelt, u.a.) in die Entwicklungs- und Verarbeitungsprozesse eingebunden und daraus Sinn für alle erstellt werden kann. Daraus ableitend stellen sich diverse Fragen:

  • Wie rekrutiere und integriere ich Z-Generation Fähigkeiten in mein Unternehmen?
  • Wie führe ich Z-Generation Mitarbeitende anders als in der Vergangenheit?
  • Wie kann ich das direkte Nutzenerlebnis unserer Produkte und Services merklich steigern?
  • Wie werden Produkte & Services «digital», «connected» und «smart»?
  • Wie integriere ich «smart», «connected» und «digital» und in welcher Reihenfolge?
  • Wie integriere und lasse ich meine Partner respektive meine Stakeholder (Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Umwelt, u.a.) im Sinne einer konsequenten Stakeholder-Orientierung partizipieren?
  • Wie integriere ich die Y-Generation Fähigkeiten in eine Onstage-Informatik?
  • Wie integriere ich X-Generation Fähigkeiten in eine Onstage-Informatik?

In all diesen Fragen verbirgt sich die alte Regel von Peter Drucker «Culture eats strategy for breakfast.» Es ist letztlich nicht nur eine technologische, sondern wie immer vor allem eine kulturelle Herausforderung, wie wir diesen Wandel in eine ganzheitliche und nachhaltige digitale Transformation schaffen werden.

[1] Anlehnung an Prof. Dr. Jan Marco Leimeister, Universität St. Gallen (iwi-HSG)